Die Erfassung von Arbeitszeiten ist nicht nur eine betriebliche Notwendigkeit, sondern auch eine gesetzliche Anforderung in Deutschland. Durch genaue Arbeitszeiterfassung können Arbeitgeber sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter angemessen entlohnt werden und die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften gewährleistet ist. Gleichzeitig bietet sie Mitarbeitern Transparenz über ihre geleisteten Stunden und kann dazu beitragen, Überstunden gerecht zu erfassen und auszugleichen. In diesem Beitrag werden wir uns mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung sowie verschiedenen Modellen und Methoden zur Umsetzung dieser Pflicht auseinandersetzen.
Alles, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen müssen
Für Unternehmen ist der aktuelle Stand der gesetzlichen Vorschriften oftmals nicht so einfach zu durchschauen? Welche Regelungen zur Arbeitzeiterfassung gibt es in Deutschland? Worauf müssen sich Arbeitgeber künftig einstellen? Diese Fragen und viele weitere beantwortet Ihnen dieser Ratgeber.
Für deutsche Unternehmen ist es aus mehreren Gründen schwierig, die aktuellen Regeln zur Arbeitszeiterfassung genau zu kennen und zu verstehen. In den letzten Jahren gab es signifikante Änderungen und Vorschläge zur Überarbeitung der Arbeitszeiterfassung, insbesondere nach dem EuGH-Urteil von 2019 und dem darauffolgenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Die Richter des höchsten deutschen Arbeitsgerichts haben 2022 mit dem Grundsatzurteil zwar Fakten geschaffen, allerdings herrscht lange Zeit Unklarheit, ob deutsche Unternehmen handeln müssen. Besonders für Bereiche wie Vertrauensarbeitszeit oder flexible Arbeitsmodelle besteht weiterhin Unsicherheit, welche spezifischen Maßnahmen Unternehmen ergreifen müssen, um gesetzeskonform zu handeln.
Inhalt
- 1 Alles, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen müssen
- 2 Wann wird die Arbeitszeiterfassung Pflicht?
- 3 Welche Form der Arbeitszeiterfassung ist erlaubt?
- 4 Wer muss Arbeitszeit erfassen?
- 5 Wer hat die Verwantwortung für die Erfassung der Arbeitszeiten?
- 6 Wer soll von der elektronischen Arbeitszeiterfassung befreit werden?
- 7 Welche Mitarbeiter brauchen keine Zeiterfassung?
- 8 Was passiert wenn Arbeitszeit nicht erfasst wird?
- 9 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 10 Auswahl und Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems
Wann wird die Arbeitszeiterfassung Pflicht?
2024 ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht in Deutschland, da bereits das BAG-Urteil aus dem Jahr 2022 rechtlich bindend war. Somit sind Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts legte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, am 19.4.2023 einen konkreten Gesetzesentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vor. Es fehlen allerdings bis heute präzise Angaben zum Inkrafttreten der neuen Gesetzesregelung. Dennoch ist das Urteil des BAG bindend und verpflichtet Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung.
Unternehmen sind bereits jetzt – ohne Ãœbergangsfrist – nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System zur Zeiterfassung einzuführen und zu nutzen. Arbeitszeiten müssen erfasst und aufgezeichnet werden. Die Daten müssen im Hinblick auf die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit überprüfbar sein.
Welche Form der Arbeitszeiterfassung ist erlaubt?
Das BAG hat entschieden, dass deutsche Arbeitgeber aktuell grundsätzlich frei entscheiden können, wie sie die Arbeitszeiten erfassen möchten: manuell, elektronisch oder mittels Apps. Wichtig ist jedoch, dass die Arbeitszeiten sicher und manipulationssicher und nachvollziehbar erfasst werden. Das Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. November 2019 verpflichtet Arbeitgeber, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, das die Arbeitszeit jedes einzelnen Arbeitnehmers objektiv, verlässlich und zugänglich registriert. Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein:
- Die Beginn- und Endzeiten und Dauer der Arbeitszeit müssen eindeutig dokumentiert
- Es muss möglich sein, die Aufzeichnungen zu kontrollieren und zu korrigieren
- Die Aufzeichnungen müssen für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren aufbewahrt werden.
- Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmer außerdem über das System zur Arbeitszeiterfassung informieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Arbeitszeiten einzusehen.
Aktuelle Rechtsprechung 2024
Zur Zeiterfassung kann aktuell nach Auffassung des BAG – je nach Tätigkeit und Unternehmen – ein händischer Stundenzettel genutzt werden.
Hinweis: Derzeit befindet sich ein Entwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes im parlamentarischen Verfahren. Der Entwurf sieht grundsätzlich die elektronische Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer:innen vor. Neben gängigen elektronischen Zeiterfassungssytemen (Software, Terminal) sollen Apps und die Arbeitszeiterfassung mit Excel zulässig sein. Eine manulle Aufzeichnung der Arbeitszeit soll lediglich für Unternehmen mit 10 oder weniger Mitarbeitern zulässig sein.
Auch die passive Arbeitszeiterfassung durch Schichtpläne soll möglich sein. Hier werden Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit mit Abweichungen wie Überstunden und Mehrarbeit erfasst. Nicht zulässig sollen Aufzeichnungen sein, die nachträglich digitalisiert werden. Ausnahmen von der elektronischen Erfassung soll es für Arbeitgeber mit 10 oder weniger Arbeitnehmern geben. Tariflich soll die Aufzeichnung in Papierform weiterhin zulässig sein.
Es ist noch unklar, wann genau das Gesetz verabschiedet und in Kraft treten wird.
Wer muss Arbeitszeit erfassen?
In Deutschland sind grundsätzlich alle Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Dies gilt unabhängig von der Unternehmensgröße und der Branche.
Wer hat die Verwantwortung für die Erfassung der Arbeitszeiten?
Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Erfassung der Arbeitszeiten beim Arbeitgeber. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 (Az.: 1ABR 22/21). Der Arbeitgeber kann die Aufgabe der Zeiterfassung jedoch an die Arbeitnehmer:innen delegieren. Dazu muss er aber sicherstellen, dass die Arbeitszeiten tatsächlich und korrekt erfasst werden. Er muss die Einhaltung der Arbeitszeiten kontrollieren und bei Bedarf eingreifen.
Hinweis: Der Referentenentwurf sieht vor, dass Arbeitgeber die Erfassung der Arbeitszeiten delegieren können. Genannt werden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnnen, Dritte wie zum Beispiel Vorgesetzte und Entleiher von Leiharbeitsnehmern.
Wer soll von der elektronischen Arbeitszeiterfassung befreit werden?
Der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) sieht grundsätzlich eine Befreiung für Arbeitgeber mit 10 oder weniger Arbeitnehmern vor. Manuelle Stundenzettel sollen für KMUs weiterhin erlaubt sein.
Welche Mitarbeiter brauchen keine Zeiterfassung?
Grundsätzlich sind alle Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen. Einzig ausgenommen sind aktuell leitende Angestellte. Im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind sie von der Pflicht zur Zeiterfassung befreit.
Auch der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) sieht keine Befreiung für Kleinbetriebe mit 10 oder weniger Mitarbeitern vor. KMUs sollen lediglich von der elektronischen Erfassung befreit werden.
Was passiert wenn Arbeitszeit nicht erfasst wird?
Erfassen Arbeitgeber Arbeitszeiten trotz der geltenden Pflicht nicht, drohen Arbeitgebern Bußgelder. Auch Arbeitnehmer müssen mit arbeitsrechtliche Sanktionen rechnen, wen sie gegen die Aufzeichnungspflicht verstoßen haben. Dabei muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmern zuvor die Erfassung der Arbeitszeit wirksam übertragen haben.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ist die minutengenaue Zeiterfassung Pflicht?
Ja, für die Erfassung der tatsächlich geleistete Arbeitsleistung muss die Arbeitszeiterfassung minutengenau erfolgen.
Chronologische Reihenfolge 2024 bis 2019
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
- Referentenentwurf April 2023 – Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales befasst sich mit der Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und anderer Vorschriften. Der Entwurf sieht vor, dass die tägliche Arbeitszeit von Beschäftigten in Deutschland zukünftig elektronisch erfasst werden soll, ohne dass dabei eine Rückkehr zu traditionellen Stechuhren erfolgt. Unter bestimmten Umständen sollen Ausnahmen von der Regelung möglich sein.
Bundesarbeitsgericht (BAG)
- 13. September 2022– Das BAG konkretisiert das EuGH-Urteil aus dem Jahr 2019 und verpflichtet Arbeitgeber zur systematischen Erfassung der Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer. Die Aufzeichnung muss elektronisch erfolgen und Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit erfassen. Das Gericht betonte die Notwendigkeit einer objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systematik zur Erfassung der Arbeitszeit, um die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften, insbesondere die maximale Arbeitszeit und Ruhezeiten, zu gewährleisten. Dies soll den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Arbeitnehmer verbessern. Den Volltext finden Sie unter dem folgenden Link: Entscheidung 1ABR 22/21.
- 22. November 2022– Das BAG stellt fest, dass auch bei einer lediglich teilweisen Anwendung des Schichtplansystems die Arbeitszeit der gesamten Schicht elektronisch zu erfassen ist.
- 15. Dezember 2022 – Das BAG entscheidet, dass die Anordnung eines Bereitschaftsdienstes die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht ausschließt.
- 07. Februar 2023 – Das BAG urteilt, dass auch bei einer vereinbarten „Vertrauensarbeitszeit“ die Arbeitszeit grundsätzlich elektronisch erfasst werden muss.
- 21. März 2023 – Das BAG stellt klar, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für mobile Arbeitnehmer gilt.
Wichtige Entscheidungen der Landesgerichte
LAG Berlin-Brandenburg:
- 10. Januar 2023 – Das LAG hat entschieden, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für geringfügig Beschäftigte mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von bis zu 450 Euro gilt, wenn sie regelmäßig mehr als 3 Stunden pro Tag arbeiten.
- 14. Februar 2023 Das LAG hat entschieden, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern eine schriftliche Information über das angewandte Arbeitszeiterfassungssystem zur Verfügung stellen müssen.
2. LAG Düsseldorf:
- 16. Februar 2023 – Das LAG hat entschieden, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer auch dann erfassen müssen, wenn diese ihre Arbeitszeit selbstständig planen und einteilen.
- 23. März 2023 – Das LAG hat entschieden, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für mobile Arbeitnehmer gilt, die ihre Arbeitszeit nicht an einem festen Ort leisten.
3. LAG Hamm:
- 22. Februar 2023 – Das LAG hat entschieden, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer auch dann erfassen müssen, wenn diese im Schichtplanverfahren arbeiten.
- 01. März 2023 – Das LAG hat entschieden, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für Arbeitnehmer gilt, die in Rufbereitschaft sind.
4. LAG München:
- 15. März 2023 – Das LAG hat entschieden, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer auch dann erfassen müssen, wenn diese ihre Arbeitszeit von zu Hause aus erledigen.
- 22. März 2023 – Das LAG hat entschieden, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für Arbeitnehmer gilt, die in Teilzeit arbeiten.
Europäischer Gerichtshof (EugH)
- 14. November 2019 – Der Europäische Gerichtshof legt fest, dass Arbeitgeber in der EU dazu verpflichtet sind Daten elektronisch und manipulationssicher aufzuzeichnen. Entsprechende Gesetze sollten von jedem EU-Mitgliedsstaat verabschiedet werden. Bisher bestehe die Gefahr, dass falsche Angaben gemacht werden. Bei der Papierzettelaufzeichnung könnten nachträglich die Eingaben geändert und gefälscht werden. Änderung sind demnach nicht nachvollziehbar. Das Urteil zielte darauf ab, die Einhaltung der Arbeitszeitrichtlinien, wie Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten, zu gewährleisten, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen.
Wie ist der weitere zeitliche Ablauf? Wann wird das Arbeitszeitgesetz angepasst?
Erst einmal muss der Gesetzesentwurf durch das Kabinett und dann durch das parlamentarische Verfahren.
Auswahl und Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems
Was müssen Unternehmen nach der Auffassung des BAG bei der Wahl eines Zeiterfassungssystems berücksichtigen? Bei der Einführung eines Zeiterfassungssystems sind verschiedene Eigenheiten und Besonderheiten zu berücksichtigen. Rein wirtschaftliche Erwägungen genüge nicht zur Begründung. Dabei ist es nicht erforderlich ein unternehmensweit einheitliches System einzuführen. Folgende Punkte sind zu berücksichtigen:
- die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Beschäftigten
- die Eigenheiten des Unternehmens (wie zum Beispiel die Größe)
- Parallellaufende Lösungen im Unternehmen sind erlaubt
- Es muss unternehmensweit kein einheitliches System eingeführt werden
- Dem Betriebsrat steht kein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zu
- Der Betriebsrat muss bei der Ausgestaltung der Zeiterfassung einbezogen werden
Tick, tack… und bei unseren Nachbarn?
In der Schweiz besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer, bei der Arbeitsstunden, Pausen und Überstunden vollständig dokumentiert werden müssen; Ausnahmen sind unter bestimmten Bedingungen möglich, z. B. für leitende Angestellte. In den Niederlanden ist die Arbeitszeiterfassung ebenfalls vorgeschrieben, wobei Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Arbeitszeit- und Ruhezeitregelungen eingehalten werden.
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Mehr zum Thema lesen:
- Zeiterfassung bei Kurzarbeit: So gehen Sie vor
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Referenzen:
Weitere Informationen zur Arbeitszeiterfassung finden Sie auf den folgenden Websites:
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Gesetze-und-Gesetzesvorhaben
- Deutscher Bundestag: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw21-de-arbeitszeiterfassung-947960
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): https://www.dgb.de/
- Bundesverband der Personalmanager (BPM): https://www.bpm.de/
Disclaimer:
Die aufgeführten Urteile, Tipps und Beiträge sind nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt. Die zur Verfügung gestellten Informationen ersetzen keine individuelle juristische Beratung.