Der Betriebsrat hat kein Initiativrecht zur Einführung eines elektronisches Zeiterfassungssystem im Unternehmen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BGA) im September 2022 festgelegt und damit der bisherigen Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichtes Hamm in dieser Frage widersprochen.
Elektronische Zeiterfassung: Initiativrecht des Betriebsrats?
Viele mittelständische Unternehmen haben auch nach der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Zeiterfassungspflicht noch keine digitale Zeiterfassung für ihre Belegschaft installiert. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat am 27.07.2021 entschieden, dass der Betriebsrat bei der Frage nach der möglichen Einführung eines digitalen Systems zur Zeiterfassung in einer Firma ein Initiativrecht hat. Durch das Initiativrecht haben Arbeitnehmervertreter die Möglichkeit von sich aus, den Anstoß zu Neuregelungen im Unternehmen zu geben.
BAG-Urteil zur Arbeitnehmermitbestimmung (Aktenzeichen: 1 ABR 22/21)
Wegen Abweichung von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Jetzt haben die Richter des höchsten deutschen Arbeitsgerichts (Bundesarbeitsgericht, BAG) mit einem Grundsatzurteil Fakten geschaffen. Betriebsräte haben kein Initiativrecht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems. In der Urteilsbegründung verwies die Präsidentin des höchsten deutschen Arbeitsgerichts, Inken Gallner, auf das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitgeber bereits jetzt verpflichte, ein System einzuführen, mit dem geleistete Arbeitsstunden erfasst werden kann. Die schriftliche Erläuterung steht noch aus.
Bisherige Rechtsprechung
Bislang bestand Einigkeit in der Rechtsprechung, dass die Entscheidung zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung allein dem Arbeitgeber vorbehalten ist. Der Betriebsrat habe lediglich ein Mitbestimmungsrecht im Rahmen der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, mit denen die Leistung der Arbeitnehmer überwacht werden kann (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Mitbestimmungsrechte).
Hintergrund des Verfahrens in Hamm
Hintergrund des Verfahrens war ein Streit zwischen den Betreibern einer Klinik und dem Betriebsrat. Bei Verhandlungen um ein Arbeitszeitmodell hatten sich beide Parteien nicht über die Gestaltung und Aufzeichnung der Arbeitszeit der Beschäftigten einigen können. Der Klinikbetreiber vertrat die Meinung, dass der Betriebsrat kein Initiativrecht bei der Einführung technischer Einrichtungen habe. Der Streit ging zuerst vor eine Einigungsstelle, dann vor das regionale Arbeitsgericht in Minden und schließlich vor das Landesarbeitsgericht Hamm. Das Landesarbeitsgericht sollte die Zuständigkeit der Arbeitnehmervertreter klären.
Mitbestimmungsrecht bei der Einführung einer Zeiterfassung
Der Betriebsrat bekam in zweiter Instanz Recht und setzte sich gerichtlich durch. Dem Gremium steht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ein Initiativrecht zu. Im Klartext bedeutet dies, dass Arbeitnehmervertreter den Arbeitgeber zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zwingen können.
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Begründung Landesarbeitsgericht Hamm
In der Begründung verwies die 7. Kammer des LAG darauf, dass grundsätzlich auch dem Betriebsrat die Initiative zukommen kann, in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten Verhandlungen aufzunehmen und zu verlangen. Zu diesen Grundsätzen gehöre auch die Mitbestimmung bei der Einführung elektronischer Zeiterfassungssysteme, mit der die Arbeitszeiten, Pausen und Überstunden der Arbeitnehmer erfasst und dokumentiert werden können.
Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht (BAG)
Wegen Abweichung von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Bisher vertritt das BAG die Rechtsauffassung, dass der Betriebsrat kein (erzwingbares) Initiativrecht bei der elektronischen Zeiterfassung hat und damit den Arbeitgeber nicht zur Einführung einer Zeiterfassung zwingen kann. Das Gremium hat lediglich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Betriebsverfassungsgesetz).
Beschluss Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verlangte bereits vor zwei Jahren, dass Arbeitgeber alle Arbeitszeiten erfassen müssen. Die Grundsatzentscheidung zur Zeiterfassungspflicht und damit europarechtliche Fragestellungen waren für die Kammer in diesem Verfahren nicht entscheidungserheblich.
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