Während in den Fabrikhallen oder im Handel die elektronische Erfassung der Arbeitszeiten weiter zum Alltag der Beschäftigten zählt, wird in vielen Büros und insbesondere in der Wissensarbeit Vertrauensarbeitszeit praktiziert. Aber was ist Vertrauensarbeitszeit? Wie wirkt sich das BAG-Urteil auf die Vertrauensarbeitszeit aus? Welche Arbeitszeitmodelle eignen sich? Gibt es Vor- oder Nachteile? Diese Fragen und viele weitere beantwortet Ihnen dieser Ratgeber.
Inhalt
- 1 Was bedeutet Vertrauensarbeitszeit? Definition
- 2 Auswirkungen des BAG-Urteils auf die Vertrauensarbeitszeit
- 3 Welche Regelungen galten bisher?
- 4 Verbreitung in Deutschland
- 5 Modelle für die Vertrauensarbeitszeit
- 6 Voraussetzung für die Vertrauensarbeitszeit
- 7 Vorteile von flexiblen Arbeitszeitmodellen
- 8 Nachteile der Vertrauensarbeitszeit
- 9 Vertrauensarbeitszeit bietet viele Möglichkeiten
Was bedeutet Vertrauensarbeitszeit? Definition
Vertrauensarbeitszeit (auch bekannt als flexible Arbeitszeit) ist ein Arbeitszeitsystem, bei dem die Mitarbeiter die Arbeitszeit selbst organisieren und planen, anstatt von festen Arbeitszeiten und Pausen vorgegeben zu bekommen. Das ermöglicht eine größere Eigenverantwortung und freiere Zeiteinteilung zur Erledigung der vereinbarten Aufgaben und Ziele. Damit zählt sie zu den flexiblen Arbeitszeitmodellen. Mitarbeitern können ihre Arbeitszeiten an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen, um eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen. Mitarbeiter werden in die Verantwortung genommen, ihre Arbeitszeiten zu planen und zu überwachen, um sicherzustellen, dass sie ihre Aufgaben erfüllen und die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden.
Kennzeichen der Vertrauensarbeitszeit
- Das Arbeitsergebnis steht im Vordergrund
- Der Arbeitgeber schreibt den Mitarbeitenden keine Arbeitszeiten vor
- Mitarbeiter organisieren und planen den Arbeitstag selbst
- Arbeitgeber verzichten auf Kontrolle der Zeiten
- Nach Absprache wird festgelegt, wann und wo die Arbeitsleitung erbracht wird.
Mitarbeiter organisieren und planen ihren Arbeitstag selbst, im Gegenzug verzichtet der Arbeitgeber auf die Kontrolle, dass der Arbeitnehmer die Arbeitszeit einhält. Das Modell wird oft als flexible Arbeitszeit bezeichnet und kann die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen, da es ihnen ermöglicht, ihre Arbeitsstunden an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Es gibt jedoch auch Herausforderungen wie die Überwachung der Arbeitszeit und die Koordination von Teammeetings.
Auswirkungen des BAG-Urteils auf die Vertrauensarbeitszeit
Bereits 2019 hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil zur Zeiterfassung gefällt. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Bezug auf die Vertrauensarbeitszeit legt fest, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter dokumentieren müssen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Arbeitszeit den gesetzlichen Anforderungen entspricht und die Höchstarbeitszeit nicht überschritten wird und gesetzlichen Pausenzeiten eingehalten werden. Arbeitgeberverbände fürchten deshalb einen Verlust der flexiblen Arbeitszeit.
Hinweis: Die Verpflichtung zur Zeiterfassung gilt auch für Vertrauensarbeitszeit. Von dieser Pflicht sind nur leitende Angestellte ausgenommen. Unternehmen sind bereits jetzt – ohne Übergangsfrist – verpflichtet, ein System zur Zeiterfassung einzuführen und zu nutzen. Stechuhr, Stundenzettel, elektronische Zeiterfassung – für die Form der Zeiterfassung gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Homeoffice und mobiles Arbeiten werden weiterhin möglich sein.
An diesem inhaltlichen Kern der Vertrauensarbeitszeit ändert die Urteile nichts. Dass Beschäftigte, auch im Büro und Homeoffice, ihre arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten individuell passend gestalten können, bleibt ihnen – innerhalb gewisser tarifvertraglicher oder gesetzlicher Leitlinien – völlig unbenommen. Es kommt nur eine Dokumentationspflicht hinzu. Ruhepausen und werktägliche Arbeitszeiten müssen eingehalten werden.
- Die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gilt also ab sofort.
- Vorgabe zur maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit ist zu beachten
- Arbeitszeiterfassung macht die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten transparenter
Welche Regelungen galten bisher?
Für Vertrauensarbeitszeit existiert keine spezielle gesetzliche Grundlage. Die allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu Ruhepausen, Ruhezeiten, täglicher Höchstarbeitszeit und zum Verbot von Arbeit an Sonn- und Feiertagen galten übrigens auch schon vor dem Urteil im September 2022. Dass sich viele nicht daran halten, wurde – obgleich der Arbeitgeber hier auch eine Fürsorgepflicht für seine Beschäftigten hat – weithin geduldet. An diesen schon immer einzuhaltenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen des Arbeitszeitgesetzes ändert sich durch das BAG-Urteil nichts.
- Arbeitszeiterfassung erschien bisher überflüssig
- Ruhepausen und Ruhezeiten müssen eingehalten werden
- Die tägliche Höchstarbeitszeit darf nur in Ausnahmefällen überschritten werden
Für eine Fünf-Tage-Woche bedeutet, dass ein Arbeitnehmer pro Woche fünf Arbeitstage hat, die normalerweise Montag bis Freitag sind. In diesem Fall könnte ein Arbeitnehmer täglich 8 Stunden arbeiten und insgesamt 40 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Höchstarbeitszeit kann durch Arbeitszeitkonten oder -vereinbarungen auf bis zu 48 Stunden pro Woche erhöht werden, vorausgesetzt, dass in einem Zeitraum von sechs Monaten oder einem Jahr nicht länger als 48 Stunden pro Woche gearbeitet wird. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die eine 6-Tage-Woche haben, in diesem Fall würde ein Arbeitnehmer pro Woche 6 Tage arbeiten und 48 Stunden pro Woche arbeiten.
Was gilt im Hinblick auf Überstunden? Beschäftigte arbeiten tatsächlich häufig mehr, als sie laut Arbeitsvertrag müssen. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 5 AZR 767/13) können auch bei Vertrauensarbeitszeit Arbeitszeitkonten geführt und Überstunden abgegolten werden.
Verbreitung in Deutschland
Studien wie der IW-Report · 24/2017, die zeigen, dass die Verbreitung von Vertrauensarbeitszeit in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ gering ist. Einige Gründe dafür können sein, dass die deutsche Arbeitskultur traditionell stark reglementiert ist und es eine starke Präsenzkultur gibt. Auch die Tarifbindung und die starke Rolle von Gewerkschaften in Deutschland können dazu beitragen. Es gibt jedoch auch Unternehmen und Branchen, in denen Vertrauensarbeitszeit bereits etabliert ist, insbesondere in Bereichen wie IT, Beratung und Dienstleistungen.
Modelle für die Vertrauensarbeitszeit
Es gibt verschiedene Modelle, die von Unternehmen verwendet werden können. Dabei lassen sich für jedes Modell Vertrauensarbeitszeit Vorteile und Nachteile finden. Unser Tipp: Wählen Sie das Modell aus, dass am besten zu den Bedürfnissen des Unternehmens und Ihrer Mitarbeiter passt:
- Zeitkonto
- Gleitzeit
- Telearbeit
- Jobsharing
- Vertrauensarbeitszeit mit Kernzeiten
In dem Modell Zeitkonto erhalten die Mitarbeiter ein Stundenkonto, auf dem sie ihre Arbeitszeiten erfassen und überwachen können. Sie können Überstunden aufbauen und sie später als Zeitguthaben auszahlen lassen oder als Freizeit nehmen. Mit Gleitzeitvereinbarungen können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens flexibel gestalten. Sie müssen jedoch während der Kernarbeitszeiten (z. B. von 9:00 bis 17:00 Uhr) anwesend sein.
Telearbeit ermöglicht es den Mitarbeitern, von zu Hause aus oder von einem anderen Ort aus zu arbeiten, wodurch sie den Arbeitstag flexibler gestalten können. Beim Jobsharing teilen sich zwei Mitarbeiter eine Vollzeitstelle und arbeiten jeweils zur Hälfte. Vertrauensarbeitszeit mit Kernzeiten ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Zeiteinteilung flexibel zu gestalten, aber sie müssen während bestimmten Zeiten (Kernzeiten) im Büro anwesend sein.
Vertrauensarbeitszeit kann auch in einer 5-Tage-Woche implementiert werden. In diesem Modell haben die Mitarbeiter die Flexibilität, ihre Wochenstunden innerhalb einer 5-Tage-Woche zu organisieren, anstatt feste tägliche Arbeitszeiten und Pausen vorgegeben zu bekommen.
Voraussetzung für die Vertrauensarbeitszeit
Vertrauensarbeitszeit setzt sehr gut organisierte Arbeitnehmer voraus. Außerdem muss zwischen Unternehmen und Beschäftigten ein gewisses Maß an Vertrauen herrschen, um diese Form der Arbeitszeitgestaltung umzusetzen.
- Sehr hohe Zeitsouveränität
- Eigenverantwortliche Gestaltung der Arbeitszeit und der Erholungszeiten.
- Vermeiden des Absitzens von Arbeitszeit, wenn keine Arbeit da ist.
- Gute Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben.
Vorteile von flexiblen Arbeitszeitmodellen
Das Arbeitszeitmodell bietet für beide Seiten einige Vorteile. Die flexible Gestaltung der Arbeitszeiten ermöglicht eine schnelle Reaktion auf schwankende Kapazitätsauslastungen ebenso wie eine Anpassung auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden.
Vorteile für Arbeitnehmer
Die freie Zeiteinteilung sorgt für eine deutliche höhere Zufriedenheit bei Mitarbeiter:innen. Warum? Weil Beschäftigte, die sich nicht oder weniger in ihrem Tun kontrolliert fühlen, produktiver arbeiten und zufriedener sind. Und wer seine Arbeit gerne macht, ist motivierter. Beschäftigte können ihre Arbeitszeiten so organisieren, dass sie in ihren produktivsten Zeiten arbeiten, was die Produktivität insgesamt erhöhen kann.
- Flexibilität
- Höhere Zufriedenheit
- Erhöhte Produktivität
- Entlastung der Familien
- Attraktivität für neue Mitarbeiter
- Besseres Zeitmanagement
Mitarbeitern können ihre Arbeitszeiten an ihre familiären Verpflichtungen anzupassen, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert. Mitarbeiter sind selbst verantwortlich für ihre Arbeitszeit und organisieren es selbst, das führt zu einer effizienteren Nutzung der Arbeitszeit und besserem Zeitmanagement. Zeit und Energie können für die verschiedenen Bereiche des Lebens besser aufteilt werden, wie zum Beispiel Arbeit, Familie, Freizeit und persönliche Entwicklung.
Vorteile für Unternehmen
Auch für Unternehmen kann das Modell verschiedene Vorteile bieten. Das Arbeitszeitmodell kann Arbeitgeber attraktiver für potenzielle Mitarbeiter machen, da es ihnen eine höhere Flexibilität bietet. Mitarbeiter können ihre Arbeitszeiten so organisieren, dass sie in ihren produktivsten Zeiten arbeiten, was die Produktivität insgesamt erhöhen kann. Vertrauensarbeitszeit kann dazu beitragen, die Kosten für den Betrieb von Unternehmen zu reduzieren, da keine Überstunden gezahlt werden müssen und weniger Aufwand für die Überwachung der Arbeitszeit erforderlich ist.
- Erhöhte Produktivität
- Kosteneinsparungen
- Attraktivität für neue Mitarbeiter
- Verringerung Krankenstand
- Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit
- Erhöhung der Innovationsfähigkeit:
Vertrauensarbeitszeit kann Unternehmen attraktiver für potenzielle Mitarbeiter machen, da es ihnen eine höhere Flexibilität und Work-Life-Balance bietet. Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten können, sind oft zufriedener und gesünder, was zu weniger Krankenständen führen kann. Mitarbeiter können ihre Arbeitszeiten an ihre Bedürfnisse, was zu einer höheren Zufriedenheit und Motivation führen kann. Mitarbeitet profitieren von der Flexibilität, ihre Zeiteinteilung an ihre Bedürfnisse anzupassen, was dazu beitragen kann, dass sie sich auf ihre Aufgaben und Projekte konzentrieren können und dadurch die Innovationsfähigkeit des Unternehmens erhöhen kann.
Nachteile der Vertrauensarbeitszeit
Die Vertrauensarbeitszeit ist trotz ihrer Vorteile für den Mitarbeiter, nämlich der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit, nicht unumstritten. Hauptkritikpunkt ist, dass Arbeitszeiten immer weniger eingehalten werden und vermehrt Überstunden geleistet werden, die nicht mehr bezahlt oder ausgeglichen werden.
- Schwierigkeiten bei der Ãœberwachung der Arbeitszeit:
- Koordination von Teammeetings
- Gefahr der Ausnutzung durch Mitarbeiter
- Möglicher Zeitdruck
Arbeitgeber haben Schwierigkeiten bei der Überwachung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden und die Mitarbeiter ausreichend Pausen erhalten. Es kann schwierig sein, Teammeetings und Besprechungen zu koordinieren, wenn die Mitarbeiter ihren Arbeitstag selbst organisieren. Einige Mitarbeiter könnten das in ihnen gesetzte Vertrauen ausnutzen und ihre vertraglich vereinbarten Stunden vernachlässigen, was zu einer unzureichenden Leistung führen kann. Mitarbeiter können sich unter Zeitdruck setzen, ihre Arbeitszeiten so zu organisieren, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können und das kann zu Stress und Burnout führen.
Vertrauensarbeitszeit bietet viele Möglichkeiten
Vertrauensarbeitszeit wird auch mit dem Stechuhr-Urteil weiterhin für Arbeitnehmer und Arbeitgeber attraktiv bleiben. Unternehmen müssen innovative Lösungen finden, um den Fachkräftemangel zu bewältigen. Dazu kann die Förderung einer attraktiven Arbeitsplatzkultur beitragen. Es ist wichtig, dass Unternehmen, die Vertrauensarbeitszeit für Angestellte implementieren, klare Regeln und Richtlinien aufstellen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ihre Verantwortungen erfüllen können.
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